Meltdown und Spectre: Lesen ohne zu lesen


Die durch Meltdown und Spectre ausgenutzten Sicherheitslücken sind zur Zeit in aller Munde. Und werden uns noch lange beschäftigen. Denn die Schwachstellen sind tief in den heutigen superschnellen Prozessoren verwurzelt. Sie erlauben es einer Schadsoftware, Daten zu lesen, ohne dass ein Befehl zum Lesen dieser Daten ausgeführt werden muss, mit der Folge, dass die üblichen Überprüfungen, ob dieser Lesebefehl auch berechtigt ist, ins Nichts laufen: ein riesiges Sicherheitsproblem! Deshalb sollten nicht nur eingefleischte InformatikerInnen die Hintergründe verstehen. Mein Versuch einer Erklärung für alle beginnt mit einem Schachspiel zwischen blutigen Anfängern; und endet mit einem Ausblick, was auf die IT-Industrie und uns alle zukommt.

1. Hintergrund und Überblick

Schach…

Schachspiel (Symbolbild)

Zwei Anfänger, Melt Down und Pro Zessor, spielen gegeneinander Schach. Pro Zessor weiss nicht weiter. Melt Down, verzweifelt über das lange Warten, verabschiedet sich für 10 Minuten, um gegenüber einen Döner essen zu gehen. Pro Zessor beginnt, da sein Vorstellungsvermögen nicht so toll ist, auf dem Schachbrett mögliche nächste Züge auszuprobieren. Rechtzeitig vor der Rückkehr seines Gegners stellt er aber alle Figuren wieder an den ursprünglichen Platz und wähnt sich sicher.

Melt Down ist aber ausgefuchster, als er aussieht. Nach seiner Rückkehr schaut er flach über das Schachbrett und sieht, auf welchen Feldern weniger Staub liegt und kann damit die Strategie des armen Pro Zessor einmal mehr durchkreuzen.[1]Alternativ könnte er auch mit einer Wärmebildkamera die zuletzt angefassten Figuren identifizieren oder, oder, oder…

…und Prozessoren

So ähnlich funktionieren auch die Meltdown- und Spectre-Angriffe gegen Prozessoren: Der Prozessor schaut immer etwas voraus, damit er so schnell ist, wie wir ihn uns wünschen. Ohne diese Verbesserung hätten unsere Rechner nur einen Bruchteil ihrer heutigen Leistung. Allerdings hinterlässt dieses Vorausschauen (die Informatiker nennen das „spekulative Ausführung“ bzw. ennet dem Teich „speculative execution“) Spuren, ähnlich unauffällig und kurzfristig wie Staub. Aber wenn ein Gegner weiss, worauf er schauen muss, kann er auch schwächste Spuren deuten. Darüber hinaus ist es recht einfach möglich, den Prozessor dazu zu bringen, auf einem möglichst staubigen Schachbrett zu spielen und so noch mehr Spuren zu hinterlassen.

Aber wieso sind Prozessoren so naiv? Zuerst einmal sind sie darauf trainiert, alles zu machen, was ihnen der Programmierer befiehlt, solange es nicht explizit verboten ist. Auf der anderen Seite sind Prozessoren aber heute nur so leistungsfähig, weil sie hinter dem Rücken des Programmierers zu tricksen, was das Zeug hält, in der Hoffnung, dass es nicht auffällt. Wieso diese ganze Trickserei nötig ist und wie wir in dieses Schlamassel hinein gerutscht sind, erläutern die folgenden Abschnitte.

Auto=Prozessor?

Zuerst einmal: Prozessoren stehen da nicht ganz alleine da. In vielen anderen technischen Geräten lief eine ähnliche Entwicklung ab: Über Jahrzehnte hinweg konnten sie schneller und kräftiger gemacht werden. Irgendwann ging aber nur noch kleiner, was aber häufig nicht mehr alle Bedürfnisse abdeckt. So auch bei den Autos: Da konnte vor Jahrzehnten noch viel aus dem Motor herausgekitzelt werden und Höchstgeschwindigkeit war ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Heute ist aus Sicht des Käufers am Motor kaum mehr etwas zu verbessern, also mussten andere Argumente her, wie z.B. schnellere Reaktionen oder kürzere Bremswege und die ganzen Assistenten, die es weiterhin erlauben, Zeit zu sparen, aber nicht mehr durch reale Erhöhung der Geschwindigkeit.

Vielleicht sind sich Autos und Prozessoren sogar noch ähnlicher, als wir denken. Wer weiss, die Prozessor-Sicherheitslücken und der Dieselskandal sind möglicherweise einfach der Ausdruck desselben jahrzehntelangen Erfolgsdrucks, der dann eben manchmal in die falsche Richtung zieht.

Abkürzungen…

Zeitachse der Prozessor- und Autoentwicklung: Früher echte Geschwindigkeit, heute eher (Komfort-)Trickserei
Zeitachse der Prozessor- und Autoentwicklung: Früher echte Geschwindigkeit, heute eher (Komfort-)Trickserei

Zurück zu den Prozessoren. Die ersten programmierbaren Computer entstanden in den 1940er-Jahren und bestanden aus tausenden von Relais. Das Schalten ging langsam (Hundertstelsekunden), die Leitungen waren (nicht nur sprichwörtlich) lang. Mit der Zeit wurden die Schaltvorgänge durch Röhren und Transistoren immer schneller und die Übertragungswege durch kleinere Bauteile, weniger Abwärme und später integrierte Schaltungen immer kürzer.

Der Prozessor konnte so Anfang der 90er abermillionen Male in der Sekunde einen Befehl aus dem Speicher laden und ihn ausführen. Und den nächsten Befehl laden und ihn ausführen. Und den nächsten. Und noch einen. Und so weiter.

Doch wirklich schneller wurden die Schaltgeschwindigkeiten nachher nicht mehr. Und es kam dazu, dass der Hauptspeicher, das RAM, das ausserhalb des Prozessors liegt, zwar immer noch grösser, aber kaum mehr schneller wurde.

…und Tricks

Den Bedarf an schnelleren Prozessoren konnte man also kaum mehr einfach durch Verkleinerung der Komponenten erfüllen.[2]Es gab einen Trend zu Prozessoren mit einfacheren Befehlen, die dann entsprechend schneller ausgeführt werden können (RISC-Prozessoren, insbesondere die in Mobilgeräten beliebten ARM-Prozessoren). Aber die klassischen CISC-Prozessoren mit ihrer grösseren Verbreitung und Marktmacht haben da einfach aufgeholt, indem sie intern wie RISC zu arbeiten begannen. Also mussten Tricks her, damit es weiterhin so aussah, als ob schön brav ein Befehl nach dem anderen ausgeführt werde, aber intern mehrere Befehle gleichzeitig abgearbeitet werden konnten. Das machte den Chip zwar komplizierter, aber Platz genug war ja da, da die Verkleinerung weiterhin voran schritt. Diese wichtigsten Tricks sind der Cache und die oben schon erwähnte spekulative Ausführung, die in engem Zusammenhang mit dem so genannten Pipeling steht. Auf diese Tricks gehen wir nun genauer ein.

 

Wie funktionieren die Tricks?

Caching

Der eine Trick ist so weit verbreitet und bekannt, dass ihn wohl keiner mehr als Trick ansieht, obwohl er es definitv ist: Caching. Der Trick besteht darin, so zu tun, als ob der Hauptspeicher schneller sei, als er wirklich ist. Deshalb werden Daten, die der Prozessor aus dem grossen Hauptspeicher lädt, zusätzlich im Prozessor noch in einem kleinen Zwischenspeicher (Cache) aufbewahrt. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass viele Speicherinhalte mehrfach verwendet werden. Ab der zweiten Verwendung müssen sie aber nicht mehr aus dem langsamen Hauptspeicher geladen werden, sondern kommen aus dem viel schnelleren Cache: Es wird ein viel schnellerer Hauptspeicher vorgegaukelt. Dieser Zeitunterschied ist für ein Programm messbar und stellt für Schadsoftware eine wichtige Komponente des Angriffs dar.

Pipelining

Die ersten Computer funktionierten nach dem folgende einfachen, aber revolutionären Prinzip: Es werden der Reihe nach Befehle aus dem Hauptspeicher geladen und ausgeführt (grüner Ablauf). Seit gut 25 Jahren werden Befehle aber überlappend ausgeführt: Der nächste Befehl wird schon in Angriff genommen, bevor der vorherige fertig ist (blauer Ablauf, genannt Pipelining). Dem Programmierer wird aber nach wie vor vorgegaukelt, der Prozessor arbeite nach dem grünen Prinzip.

Pipelining ist vergleichbar mit der Herstellung von Autos am Fliessband: Der Zusammenbau eines einzelnen Autos dauert weiterhin mehrere Tage; trotzdem verlässt alle paar Minuten ein neues Auto die Produktionsstrasse. Ein riesiger Produktivitätsgewinn.

Pipelining: Quasi-Parallelausführung im Prozessor
Befehlsausführung: Ein Befehl pro Zeile, die Zeit vergeht von links nach rechts.

Pipelining ist vergleichbar mit der Herstellung von Autos am Fliessband: Der Zusammenbau eines einzelnen Autos dauert weiterhin mehrere Tage; trotzdem verlässt alle paar Minuten ein neues Auto die Produktionsstrasse. Ein riesiger Produktivitätsgewinn.

Dieses einfache Pipelining im Prozessor läuft gut, solange der Prozessor keine Entscheidungen treffen muss. Entscheidungen im Prozessor sind aber sehr häufig: Was macht der Benutzer gerade? Ist die Festplatte endlich bereit? Wo hat es noch Platz im Hauptspeicher? Ist die Eingabe gültig? Je nachdem, wie diese Entscheidung ausgeht, werden andere Befehle ab einer anderen Speicheradresse geladen und ausgeführt. Diese Änderung der Adresse, ab welcher der nächste Befehl ausgeführt wird, heisst „Sprung“.

Das heisst, das Pipelining im Prozessor unterscheidet sich in einer Beziehung grundlegen vom Montageband. Während beim Montageband jeder Schritt unabhängig vom nächsten ausgeführt wird, kann ein Befehl beim Prozessor alle nachgehenden Befehle verändern.

Pipelining im Prozessor unterscheidet sich aber in einer Beziehung grundlegend vom Montageband: Ein Produktionsschritt bei einem Auto kann bestimmen, dass alle nachfolgenden Autos ganz anders zusammengebaut werden sollen.

CPU: Spekulative Ausführung nach einer Entscheidung
Pipeline bei Ausführung eines Sprungbefehls

Zum Zeitpunkt der Ausführung des Sprungbefehls sind also schon viele andere Befehle (braun in der Grafik rechts) in der Pipeline. Solange aber nicht klar ist, ob sie ausgeführt werden sollen oder nicht, kann bei einer einfachen Pipeline gar nichts passieren: Der riesige Geschwindigkeitsvorteil durch die Pipeline ist bei jedem Sprungbefehl dahin.

Spekulative Ausführung

Seit bald 25 Jahren wird deshalb bei einem Sprungbefehl die Pipeline nicht leer gelassen, sondern der Prozessor versucht vorherzusagen, ob ein Sprung genommen werden soll oder nicht. Wenn die Vorhersage sich als richtig herausstellt, ist unser Prozessor viel schneller als nur mit Pipelining alleine und kann die Resultate der in der Zwischenzeit provisorisch durchgeführten Befehle behalten. Falls die Voraussage aber falsch war, müssen die Auswirkungen dieser schon provisorisch ausgeführten Befehle wieder rückgängig gemacht werden (Undo, Rollback). Daher erfolgt das Zurückschreiben nicht mehr direkt wie oben, sondern in einen internen Speicher, damit sie von nachfolgenden spekulativ ausgeführten Befehlen verwendet werden können. Erst wenn klar ist, dass diese Befehlskette auch wirklich ausgeführt werden soll, werden diese internen Zustände an die richtigen Stellen geschrieben; im anderen Fall wird dieser interne Zustand einfach weggeworfen. Diese Schlussphase wird als Pensionierung („retiring“) der Instruktion bezeichnet.

Beispiel einer Out-of-Order-Ausführung
Spekulative Ausführung

Schauen wir uns das Beispiel in der Grafik an: Der erste Befehl wird bearbeitet, muss aber beim Laden eines Wertes auf den langsamen Hauptspeicher warten. Der nächste Befehl ist ein Sprungbefehl, der vom Resultat der vorherigen Instruktion abhängt. Da dieses noch nicht bereit ist, gibt es eine Sprungvorhersage und die nachfolgenden Befehle werden spekulativ ausgeführt. Erst, wenn klar ist, ob diese Vorhersage richtig war, wird entschieden ob das interne Resultat weggeworfen oder offiziell wird.[3]Genau genommen ist nicht die spekulative Ausführung an sich das Problem, sondern wenn Befehle sich dabei — wie in der Grafik — gegenseitig überholen dürfen („out-of-order execution“, „instruction reordering“). Bei den meisten modernen Prozessoren sind Spekulation und Reordering aber gekoppelt.

2. Risiken und Neben­wirkungen

Angriffe

Die Angriffe nutzen nun aus, dass bei einem „Undo“ nicht der ganze Zustand wiederhergestellt wird, sondern der Cache auch weiterhin die Werte enthält, welche durch die spekulativ ausgeführten Instruktionen geladen wurden. Sie nutzen diese auf drei unterschiedliche Weisen.

Meltdown: Rechte­anmassung

Ein Programm darf nicht auf den gesamten Speicher zugreifen, sondern nur auf Bereiche, die ihm auch zugewiesen wurden. Intel macht in seinen Prozessoren diese Überprüfung zu spät. Sie findet nämlich nicht dann statt, wenn die Daten für den Befehl („Operand“) geladen werden, sondern erst, wenn der Befehl in Pension gehen soll.

Dadurch kann ein böswilliger Programmierer in spekulativen Instruktionen auf Speicherbereiche zugreifen, die er sonst gar nicht zu sehen bekäme. Er kann das Resultat aber nicht verwenden, denn die Resultate des Befehls werden weggeworfen, sobald klar wird, dass die Vorhersage falsch war. Der Programmierer kann aber sein Programm anweisen, aufgrund des gelesenen Wertes in weiteren spekulativen Befehlen den Cache so zu verändern, dass in später wirklich ausgeführten Befehlen dann Rückschlüsse auf diese gelesenen Daten möglich sind.

Damit kann Speicher ausgelesen werden, auf den das Programm eigentlich gar nicht zugreifen dürfte. Da der Lesebefehl aber ja nicht wirklich (sonder nur spekulativ) ausgeführt wird, ist aus Sicht des Prozessors alles in Ordnung und er sieht keinen Grund, das dem Betriebssystem oder dem Benutzer mitzuteilen.

Damit lassen sich auf Intel-Prozessoren Speicherbereiche des Betriebssystems oder von anderen virtuellen Maschinen auslesen, eine Gefahr ganz besonders für alle Clouddienste.

Spectre 1: Index­grenzen­überschreitung

Programme greifen regelmässig auf Felder (Arrays) zu: Sequenzen von Speicheradressen, die zusammengehörige Informationen enthalten und durch eine Startadresse und eine Länge definiert sind. Die einzelnen Positionen sind durchnummeriert (indexiert); nur Positionen bis zur maximalen Länge sind gültig.

Mittels zu grosser Indizes könnte auf Bereiche ausserhalb des Arrays zugegriffen werden, Bereiche, an denen sich andere Daten befinden. Deshalb finden—insbesondere in Programmen, die mit Indizes arbeiten, die von aussen beeinflusst werden können—Überprüfungen statt, ob der Index auch innerhalb des gültigen Bereichs liegt:

    …
    vergleiche           index, maximaler_index
    springe_wenn_grösser fehler_indexüberschreitung
    lade                 array[index], register_x
    …
fehler_indexüberschreitung:
    # Fehlermeldung

Der Spectre-1-Angriff greift nun genau hier ein: Da im Normalfall der Index im gültigen Bereich liegt, prognostiziert der Prozessor, dass der lade-Befehl ausgeführt werden soll und liest spekulativ aus dem ungültigen Bereich. Obwohl der Fehler später bemerkt wird und der gelesene Wert nie in einem normal zugreifbaren Register landet: Der Cache bleibt verändert und lässt durch sein Verhalten Rückschlüsse wie oben zu.

Spectre 2: Unterjubeln von Befehlen

In vielen Programmen werden sogenannte Sprungtabellen verwendet: Die Adresse des nächsten auszuführenden Befehls steht an einer spezifischen oder zu berechnenden Speicheradresse. Betriebssysteme und objektorientierte Programmiersprachen sind zwei fleissige Nutzer dieser Technik.

Beim Spectre-2-Angriff wird der Prozessor so vorbereitet, dass die Sprungvorhersage auf einen vom Schadprogramm ausgewählten Codeblock zeigt. Auch hier werden die Befehle nur spekulativ ausgeführt, ihre Auswirkungen auf den Cache sind aber erkennbar.

Kernproblem

Das Kernproblem liegt darin, dass wir aus Effizienzgründen an vielen Stellen gemeinsame Ressourcen nutzen. Nicht nur im Prozessor gibt es solche gemeinsam genutzten Ressourcen, z.B. den Cache. Auch im Internet (gemeinsame Funkkanäle oder Leitungen) oder in der realen Welt (z.B. Schiene oder Strasse) gibt es unzählige davon. Wenn mehrere Teilnehmer eine gemeinsame Ressource nutzen, können sie darüber miteinander kommunizieren, beispielsweise indem der eine Teilnehmer die Auslastung dieser Ressource verändert und das Gegenüber diese Auslastung beobachtet. Damit wird diese Ressource zum (verdeckten) Kommunikationskanal.

Um diesen Kommunikationskanal zu nutzen, müssen beide Kommunikationspartner aktiv werden. Im Normalfall bedingt dies die freiwillige Teilnahme beider Seiten. Mittels Meltdown und Specter kann aber Schadsoftware bei spekulativer Ausführung (mit interner Umordnung der Befehle, „out-of-order execution“) eine der beiden Kommunikationsseiten quasi zur Zusammenarbeit übertölpelt werden. Damit bekommt die Spekulation ihre sichtbaren Nebenwirkungen.

Das Problem besteht nur, solange gemeinsame Ressourcen und spekulative Ausführung zusammen auftreten. Beide sind aber Schlüsselstellen für die Effizienz der heutigen Prozessoren. Durch bessere Trennung des Caches für normale und spekulative Instruktionen könnte das Problem gelöst werden.[4]Dies ist keine neue Technik; etwas sehr Ähnliches wird bereits verwendet beim spekulativen Ausführen von Befehlen, die Daten im Speicher ändern wollen. Durch die langen und teuren Entwicklungszyklen für Prozessoren werden wir erst in vielen Monaten mit Prozessoren rechnen dürfen, die das Problem nicht mehr haben.

Betroffen

  • …von Meltdown sind laut aktuellem Informationsstand die meisten Intel-Prozessoren der letzten ca. 20 Jahre und einige neuere ARM-Prozessoren. Prozessoren anderer Hersteller, auch wenn sie x86-kompatibel sind, scheinen bisher nicht davon betroffen zu sein.
  • …von Spectre 1 und 2 sind die meisten aktuellen Prozessoren, die spekulative Ausführung mit out-of-order execution verwenden, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass. Insbesondere scheinen die meisten ARM-Prozessoren davon nicht betroffen zu sein. Insbesondere Spectre 1 scheint aber hauptsächlich Programme zu betreffen, die fremden Code ausführen. Prominente Beispiele sind da Webbrowser, die aber auch schon Gegenmassnahmen ergriffen haben.

Gegen­mass­nahmen

Alle drei Angriffe basieren auf Fehlern des Prozessors; da Updates bei Prozessoren jedoch schwierig sind und nur teilweise abhelfen, sind Betriebssysteme, Compiler und Anwendungsprogrammierer gefordert.

  • Meltdown wird in vielen Betriebssystemen durch Änderung der Speicherorganisation verhindert. Bei jedem Betriebssystemaufruf sind neu teure Änderungen der Übersetzungstabelle notwendig. Dies führt jedoch zu Verlangsamungen, je nach Situation zwischen rund 5% und 30%, sehr selten bis fast 50%.
  • Spectre 1 (Arraygrenzen) wird zuallererst die Programmierer beschäftigen. Sie müssen sicherstellen, dass—wenn sie nicht vertrauenswürdigen Code in ihrer Anwendung ausführen—dieser dann (a) den Seiteneffekt nicht auslösen oder (b) ihn nicht messen kann. Vermutlich werden in den nächsten Monaten findige Entwickler von Compilern Optionen schaffen, um diese Situation automatisch zu erkennen und zu verhindern.
    Da die Lücke aber nur Anwendungen betrifft, die fremden Code ausführen (JIT, Bytecode und eventuell auch Interpreter), aber alle Anwendungen verlangsamen, werden die betroffenen Anwendungsentwickler diese Funktion des Compilers wahrscheinlich zuerst aktivieren müssen.
  • Spectre 2 (Berechnete Sprünge) wird aktuell über Microcode- in Kombination mit Betriebssystemupdates behoben. Alternativ kann auch sogenannter „RetPoline“-Code anstelle des berechneten Sprungs genutzt werden. Einige Compiler bieten bereits eine entsprechende Option an, weitere werden folgen.

Wir sehen, dass nur eine enge Kooperation aller Akteure (CPU-Hersteller, Betriebssystemmacher, Compilerentwickler und Anwendungsprogrammierer) das Problem nachhaltig lösen kann, zumindest solange keine Meltdown- und Spectre-sicheren neuen Prozessoren verfügbar sind.

Bis die Sache ausgestanden ist, werden auch die Nutzer stark gefordert: Das fleissige und zeitnahe Einspielen von Andwendungs-, Betriebssystem- und BIOS-/UEFI-Updates[5]Leider sind BIOS-/UEFI-Updates häufig nicht so einfach einzuspielen wie der Rest. Hier sind die Gerätehersteller gefordert. wie das Ausbaden unerwünschter Nebenwirkungen derselben werden dafür sorgen, dass uns allen über Monate hinweg nicht langweilig wird.

Weiterführende Informationen

Deutsch:

Englisch:

Bildquellen

Ich danke Patrick Stählin (Schach), Matthias Fratz, Gaby Salvisberg und Marianne Jossen ganz herzlich für die vielen guten Ideen, Diskussionen, Feedbacks und Korrekturen.

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