Die Cloud, das geheimnisvolle Wesen


Die Cloud wird als magischer Sammelbegriff für eigentlich alle «IT-(Dienst-)Leistungen, die aus der Steckdose kommen» verwendet. Entscheidungen zu treffen, alleine weil etwas unter einem magischen, evt. sogar gehypten, Sammelbegriff subsumiert werden kann, ist gefährlich. Im analogen, aber ganz besonders auch im digitalen Leben. Sehen wir uns das mal etwas genauer an.

IT-Probleme löst man nicht mit der Cloud. Schon gar nicht automatisch

Ein Entscheid wie «wir gehen jetzt in die Cloud» bedarf einiger Vorarbeit. Und die ist im wahrsten Sinne Arbeit. Und nicht in einem Satz in einer Geschäftsleitungssitzung abgehandelt. Das sind, in dieser Reihenfolge:

  1. Verstehe und vereinfache deine Geschäftsprozesse
  2. Standardisiere und automatisiere deine IT
  3. Überlege erst dann, was der Schritt in die Cloud bedeutet

Was heisst das konkret?

Wir haben gesehen: Die Cloud mag vielleicht eine Komponente einer Verbesserung der IT-Prozesse in einer Firma sein. Doch alleine — oder gar automatisch — löst die Cloud keine Probleme. Hier also nochmals die wichtigsten Schritte für Freude mit den IT-Prozessen kurz zusammengefasst:

Schritt 1: Verstehe und vereinfache deine Geschäftsprozesse

Ohne gute, aber trotzdem flexible Geschäftsprozesse, funktioniert kein Geschäft. Weder mit noch ohne IT.

  • Es gilt zuerst die Geschäftsprozesse zu verstehen.
  • Und dann diese so weit zu vereinfachen, dass sie für alle einfach verständlich sind. Und alle damit leben können.
    • Das bedeutet insbesondere, auf Varianten, Schleifchen, Türmchen und Erkerchen zu verzichten, nur weil irgend jemand das schon immer so gemacht hat bzw. schöner findet.
    • Das bedeutet auch, eingespielte Geschäftsprozesse zu überdenken und allfälligerweise zu korrigieren.
    • Das bedeutet aber insbesondere nicht, dass alle Sonderfälle dann auch in die IT-Lösung einfliessen sollten. Für die Abhandlung von seltenen und Sonderfällen sollten aber die Mitarbeiter:innen die Möglichkeit haben, die Vorgaben des Systems zu übergehen und diese Entscheidung im Vier-Augen-Prinzip absegnen zu lassen und zu dokumentieren.

Schritt 2: Standardisiere und automatisiere deine IT

Sobald die Geschäftsprozesse definiert sind, kann die IT darauf angepasst werden. Standardisierung und Automatisierung sind schon bei den Kernprozessen jedes Betriebs wichtig; bei den IT-Prozessen sind sie aber noch viel essenzieller.

  • Wer Technologie-Entscheidungen trifft, muss die Technologie zumindest grob verstehen. Und die Implikationen seiner Entscheidungen einschätzen können.
  • Die Basis solcher Technologie-Entscheide sollte eine unternehmensweite IT-Strategie sein, die auf Kenntnis der realen Infrastruktur aufgebaut sein sollte. (Also nicht aufgrund einer Hoffnung, wie die eigene Infrastruktur aufgebaut sein sollte.)
  • Softwareentwicklung, -anpassung und IT-Betrieb sollten den aktuellen «best practices» entsprechen.
    • Dazu müssen u.U. Prozesse angepasst werden.
    • Das sollte man tun, bevor man versucht, diese Systeme in die Cloud zu verschieben: Ein mangelhafter Dienst verliert seine Mängel nicht „automatisch“, indem er in die Cloud verschoben wird.
    • Einen komplex vernetzten Dienst in die Cloud zu verschieben, ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Insbesondere, wenn er nachher weiterhin hinter Firewalls o.ä. geschützt sein soll.
    • Mangelhafte Dienste in der Cloud ergeben nicht die erhofften Vorteile, vielleicht sogar Nachteile.
    • Und vielleicht stellt sich im Laufe der Anpassung an die «best practices» heraus, dass ein Wechsel in die Cloud mehr Aufwand und Nachteile bringt, als die nun gut laufende Anwendung selbst weiterhin auf eigener Hardware zu betreiben.
  • Jede Software, braucht kontinuierliche Pflege (Tests, Sicherheitsüberprüfungen, Aktualisierungen, …; in der Cloud dann manchmal sogar mehr als zuvor).
  • Falls mehrere Server genutzt werden, egal ob in eigenen Räumlichkeiten oder in der Cloud:
    • Der IT-Betrieb muss standardisiert sein, um Kosten zu sparen und Fehler zu vermeiden. Je heterogener das Setup ist, desto teurer wird es. Das gilt auch für die Nutzung mehrerer Clouds gleichzeitig.
    • Der IT-Betrieb muss automatisiert sein, aus denselben Gründen. Dazu müssen Server automatisiert eingerichtet werden, beliebig neu gestartet werden können und ihre Statusinformationen zentral visualisiert werden.

Schritt 3: Evaluiere den Schritt in die Cloud

  • «Die Cloud» ist nicht ein homogenes Feld: Da gibt es unterschiedliche Abstraktionsstufen (und damit Fertigungstiefen) in denen unterschiedliche Komponenten kombiniert werden.
  • «Die Cloud» ist damit eine Wertschöpfungskette. Jede Stufe in dieser Wertschöpfungskette basiert darauf, dass der Cloudanbieter seine Skaleneffekte nutzen kann.
  • Wenn man diese Skaleneffekte selbst nutzen kann — z.B. weil man eine genügend grosse Quantität davon bezieht —, muss man sich überlegen, ob man das Produkt nicht selber günstiger und passgenauer anbieten kann:
    • Die Cloudanbieter basieren zumindest teilweise auf denselben Open-Source-Lösungen, die man auch selbst einsetzen kann.
    • Sie müssen aber einen Dienst erbringen, der viel allgemeiner ist, als das was man selbst nutzen will; weil die anderen Kundinnen oft ganz andere Anforderungen haben.
    • Auch eine Cloudlösung ist nicht «plug and play»; auch sie muss man an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Diese Kosten gehen oft vergessen.
    • Falls man grössere Mengen «Cloud» einkaufen will, sollte man seine Bedürfnisse vorher möglichst klar formulieren und dann die Möglichkeiten vergleichen.
    • Wer mit dem Schritt «in die Cloud» Geld sparen will, muss möglichst viele alten Zöpfe abschneiden. Vorher.

IT zu betreiben ist nicht einfach. Wenig standardisierte oder automatisierte IT zu betreiben ist noch viel schwieriger. Zu glauben, wenig standardisierte oder automatisierte IT werde alleine durch den Schritt in die Cloud magisch aufgeräumt, ist leichtgläubig. Die eigene IT zu standardisieren und automatisieren ist Aufwand. Und der fällt durch den einfachen Transfer derselben Software in die Cloud (oft als «Lift and Shift» bezeichnet) nicht weg. Kennenlernen der eigenen IT und ihrer Abhängigkeiten, Standardisieren und Automatisieren muss der erste Schritt sein.
Und danach kann man über den Schritt in die Cloud nachdenken. Nicht davor.

Und jetzt bitte noch etwas detaillierter?

Die Cloud, ihre Eigenschaften und einen Reality-Check für viele Cloud-Versprechungen habe ich bei DNIP veröffentlicht. Viel Spass!


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