Zumindest war dies das erste, was ich dachte, als ich hörte, dass der weltgrösste Hersteller von Schreibtischtelefonen mit Internetanbindung, Yealink, es jedem Telefon ermöglicht, sich als beliebiges anderes Yealink-Telefon auszugeben. Und somit als dieses Telefonate zu führen, Kontaktlisten anzuschauen und so weiter.
Was ist das Problem?
«Im Internet weiss niemand, dass du ein Hund bist» ist ein geflügeltes Wort, das schon im letzten Jahrhundert entstanden ist. Es bezieht sich darauf, dass es schwierig ist, das Gegenüber zu identifizieren.
Damit das zumindest bei Geräten und Webseiten einfacher ist, hat man schon für sogenannte Zertifizierungsstellen (Certificate Authority, kurz CA) eingeführt. Eine Art Notariate (oder, wem der Vergleich lieber ist, Passbüro) für Digitales.
So bestätigt beispielsweise ein derartiges Notariat, Let’s Encrypt, dass wenn oben im Browser marcel-waldvogel.ch
steht, der Inhalt auch vom Webserver für marcel-waldvogel.ch
kommt und die Daten nicht über die Webseite von böhser-häcker.com
umgeschrieben werden.
Notariate in der echten Welt funktionieren, weil
- die Notarin eine vertrauenswürdige Person ist, die mit ihrem guten Ruf für die Korrektheit ihres Vorgehens bürgt (und bei Verstössen auch weitere scharfe Konsequenzen auf sie warten) und weil
- die Notarin ihren Stempel bzw. ihr Siegel sorgfältig unter Verschluss hält.
So sollten auch digitale Notariate funktionieren. Und die allermeisten CAs (eben, diese digitalen Notariate) nehmen ihre Pflichten auch sehr ernst.
Eine grosse Ausnahme ist Yealink, die auf jedem ausgelieferten Telefon eine identische Kopie einer CA und ihrer Geheimnisse (der Stempel heisst hier «privater Schlüssel» oder Private Key) verteilen.
Das widerspricht so ziemlich allem, was wir in der IT-Sicherheit in den letzten Jahrzehnten praktizieren.
Entsprechend hat jeder, der sich mit ein bisschen Hardwarekenntnissen ein paar Stunden mit dem Telefon beschäftigt, nachher den privaten Schlüssel dieser CA. Und mit diesem privaten Schlüssel kann man sich jeden Brief und Siegel ausstellen, den man will. Und damit so tun, als ob man jedes Yealink-Telefon sei.
Was kann ich mit falschen Zertifikaten anstellen?
Der Angreifer (ein Wirtschaftsspion, ein Geheimdienst eines fremden Staates oder irgendein dahergelaufener Cyberkrimineller) kann sich mit diesen Zertifikaten als jedes Yealink-Telefon ausgeben. Und sich so in wenigen, einfachen Schritten bis zum Telefonieserver des entsprechenden Unternehmens durchhangeln, welches das echte Telefon im Einsatz hat (siehe Grafik unten).
Und kann damit alles, was das legitime Telefon auch kann. Mindestens.
Bitte etwas genauer!
Ja klar doch. Ich habe das alles detailliert für DNIP aufgeschrieben. Viel Spass beim Lesen!
Was soll ich nun tun?
Wer so ein Telefon hat (oder, wahrscheinlich üblicher, in der Firma eine ganze Sammlung davon), sollte sich die entsprechenden Massnahmen im DNIP-Artikel anschauen.
Weiterführende Literatur
- Marcel Waldvogel: Yealink-VoIP-Telefone: Insecurity by Design, DNIP, 2025-06-25.
Der Originalartikel. - Chungy: Freedoom, Wikimedia Commons, 2015-12-16.
Das Bild, das im virtuellen Telefonbildschirm genutzt wird.
Aktuelles zu IT-Sicherheit
- Sichere VoIP-Telefone: Nein, danke‽Zumindest war dies das erste, was ich dachte, als ich hörte, dass der weltgrösste Hersteller von Schreibtischtelefonen mit Internetanbindung, Yealink, es jedem Telefon ermöglicht, sich als beliebiges anderes Yealink-Telefon auszugeben. Und somit als dieses Telefonate… Sichere VoIP-Telefone: Nein, danke‽ weiterlesen
- Diceware: Sicher & deutschDiceware ist, laut Wikipedia, «eine einfache Methode, sichere und leicht erinnerbare Passwörter und Passphrasen mithilfe eines Würfels zu erzeugen». Auf der Suche nach einem deutschsprachigen Diceware-Generator habe ich keinen gefunden, der nur im Browser läuft,… Diceware: Sicher & deutsch weiterlesen
- Nextcloud: Automatischer Upload auf Android verstehenIch hatte das Gefühl, dass der automatische Upload auf Android unzuverlässig sei, konnte das aber nicht richtig festmachen. Jetzt weiss ich wieso und was dabei hilft.
- VÜPF: Staatliche Überwachungsfantasien im RealitätscheckDie Revision der «Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs» (VÜPF) schreckte die Schweiz spät auf. Am Wochenende publizierte die NZZ ein Streitgespräch zum VÜPF. Darin findet sich vor allem ein Absatz des VÜPF-Verschärfungs-Befürworters… VÜPF: Staatliche Überwachungsfantasien im Realitätscheck weiterlesen
- Phishing-Trend SchweizerdeutschSpam und Phishingversuche auf Schweizerdeutsch scheinen beliebter zu werden. Wieso nutzen Spammer denn diese Nischensprache? Schauen wir in dieser kleinen Weiterbildung in Sachen Spam und Phishing zuerst hinter die Kulissen der Betrüger, um ihre Methoden… Phishing-Trend Schweizerdeutsch weiterlesen
- Persönliche Daten für Facebook-KIMeta – Zuckerbergs Imperium hinter Facebook, WhatsApp, Instagram, Threads etc. – hat angekündigt, ab 27. Mai die persönlichen Daten seiner Nutzer:innen in Europa für KI-Training zu verwenden. Dazu gehören alle Beiträge (auch die zutiefst persönlichen),… Persönliche Daten für Facebook-KI weiterlesen
- In den Klauen der CloudBert Hubert, niederländischer Internetpionier und Hansdampf-in-allen-Gassen, hat einen grossartigen Artikel geschrieben, in dem er die Verwirrung rund um «in die Cloud gehen» auflöst. Ich habe ihn für DNIP auf Deutsch übersetzt.
- Können KI-Systeme Artikel klauen?Vor ein paar Wochen hat die NZZ einen Artikel veröffentlicht, in dem Petra Gössi das NZZ-Team erschreckte, weil via KI-Chatbot angeblich «beinahe der gesamte Inhalt des Artikels […] in der Antwort von Perplexity zu lesen»… Können KI-Systeme Artikel klauen? weiterlesen
- Was Prozessoren und die Frequenzwand mit der Cloud zu tun habenSeit bald 20 Jahren werden die CPU-Kerne für Computer nicht mehr schneller. Trotzdem werden neue Prozessoren verkauft. Und der Trend geht in die Cloud. Wie das zusammenhängt.
- Facebook: Moderation für Geschäftsinteressenmaximierung, nicht für das Soziale im NetzHatte mich nach wahrscheinlich mehr als einem Jahr mal wieder bei Facebook eingeloggt. Das erste, was mir entgegenkam: Offensichtlicher Spam, der mittels falscher Botschaften auf Klicks abzielte. Aber beim Versuch, einen wahrheitsgemässen Bericht über ein… Facebook: Moderation für Geschäftsinteressenmaximierung, nicht für das Soziale im Netz weiterlesen
- Was verraten KI-Chatbots?«Täderlät» die KI? Vor ein paar Wochen fragte mich jemand besorgt, ob man denn gar nichts in Chatbot-Fenster eingeben könne, was man nicht auch öffentlich teilen würde. Während der Erklärung fiel mir auf, dass ganz… Was verraten KI-Chatbots? weiterlesen
- Sicherheit versteckt sich gerneWieso sieht man einer Firma nicht von aussen an, wie gut ihre IT-Sicherheit ist? Einige Überlegungen aus Erfahrung.
- Chatkontrolle: Schöner als FiktionWir kennen «1984» nicht, weil es eine technische, objektive Abhandlung war. Wir erinnern uns, weil es eine packende, düstere, verstörende Erzählung ist.
- Chatkontrolle, die Schweiz und unsere FreiheitIn der EU wird seit vergangenem Mittwoch wieder über die sogenannte «Chatkontrolle» verhandelt. Worum geht es da? Und welche Auswirkungen hat das auf die Schweiz?
- Cloudspeicher sind nicht (immer) für die EwigkeitWieder streicht ein Cloudspeicher seine Segel. Was wir daraus lernen sollten.
- IT sind nicht nur KostenOft wird die ganze IT-Abteilung aus Sicht der Geschäftsführung nur als Kostenfaktor angesehen. Wer das so sieht, macht es sich zu einfach.
- CrowdStrike, die DritteIn den 1½ Wochen seit Publikation der ersten beiden Teile hat sich einiges getan. Microsoft liess es sich nicht nehmen, die Schuld am Vorfall der EU in die Schuhe zu schieben, wie das Apple mit… CrowdStrike, die Dritte weiterlesen
- Unnützes Wissen zu CrowdStrikeIch habe die letzten Wochen viele Informationen zu CrowdStrike zusammengetragen und bei DNIP veröffentlicht. Hier ein paar Punkte, die bei DNIP nicht gepasst hätten. Einiges davon ist sinnvolles Hintergrundwissen, einiges taugt eher als Anekdote für… Unnützes Wissen zu CrowdStrike weiterlesen
- Marcel pendelt zwischem Spam und ScamBeim Pendeln hatte ich viel Zeit. Auch um Mails aus dem Spamordner zu lesen. Hier ein paar Dinge, die man daraus lernen kann. Um sich und sein Umfeld zu schützen.
- Die NZZ liefert Daten an Microsoft — und Nein sagen ist nichtDie andauernden CookieBanner nerven. Aber noch viel mehr nervt es, wenn in der Liste von „800 sorgfältig ausgewählten Werbepartnern (oder so)“ einige Schalter fix auf „diese Werbe-/Datenmarketingplattform darf immer Cookies setzen, so sehr ihr euch… Die NZZ liefert Daten an Microsoft — und Nein sagen ist nicht weiterlesen
- «CrowdStrike»: Ausfälle verstehen und vermeidenAm Freitag standen in weiten Teilen der Welt Millionen von Windows-Rechnern still: Bancomaten, Lebensmittelgeschäfte, Flughäfen, Spitäler uvam. waren lahmgelegt. Die Schweiz blieb weitgehend nur verschont, weil sie noch schlief. Ich schaue hinter die Kulissen und… «CrowdStrike»: Ausfälle verstehen und vermeiden weiterlesen
- Auch du, mein Sohn FirefoxIch habe bisher immer Firefox empfohlen, weil seine Standardeinstellungen aus Sicht der Privatsphäre sehr gut waren, im Vergleich zu den anderen „grossen Browsern“. Das hat sich geändert. Leider. Was wir jetzt tun sollten.
- «Voting Village»-TranskriptLetzten August fand an der Hackerkonferenz DEFCON eine Veranstaltung der Election Integrity Foundation statt. Sie fasste mit einem hochkarätigen Podium wesentliche Kritikpunkte rund um eVoting zusammen.
- «QualityLand» sagt die Gegenwart voraus und erklärt sieIch habe vor Kurzem das Buch «QualityLand» von Marc-Uwe Kling von 2017 in meinem Büchergestell gefunden. Und war erstaunt, wie akkurat es die Gegenwart erklärt. Eine Leseempfehlung.
- 50 Jahre «unentdeckbare Sicherheitslücke»Vor 50 Jahren erfand Ken Thompson die «unentdeckbare Sicherheitslücke». Vor gut 40 Jahren präsentierte er sie als Vortrag unter dem Titel «Reflections on Trusting Trust» anlässlich der Verleihung des Turing-Awards, des «Nobelpreises der Informatik». Hier… 50 Jahre «unentdeckbare Sicherheitslücke» weiterlesen
- Stimmbeteiligung erhöhen ohne eVotingEines der Argumente für eVoting ist die Erhöhung der Stimmbeteiligung. Stimmbeteiligung—nur für sich alleine gesehen—ist keine ausreichende Metrik für die Beurteilung der Funktionsfähigkeit einer Demokratie, trotzdem spielt sie eine wichtige Rolle. Die «Vote électronique», wie… Stimmbeteiligung erhöhen ohne eVoting weiterlesen
- 🧑🏫 «eVoting: Rettung der Demokratie oder Todesstoss?»Die Demokratie ist unter Beschuss, neuerdings auch durch Fake News, Trollfabriken und KI. «Vote éléctronique», so heisst die elektronische Abstimmung im Bundesjargon, ist angetreten, um die Demokratie zu retten. Am Mittwochabend geht Marcel Waldvogel der… 🧑🏫 «eVoting: Rettung der Demokratie oder Todesstoss?» weiterlesen
- Mutmassungen über «Jia Tan»: Spuren eines HackersIch habe versucht, dem mutmasslich grössten Hack der Geschichte etwas auf den Grund zu gehen. Daraus ist eine spannende Spurensuche geworden, die ich gerne mit euch teilen möchte.
- Wie erkenne ich betrügerische Webseiten — am Beispiel einer aktuellen SpamwelleAktuell laufen wieder Spamwellen durchs Land. Eine bot einen angeblichen Schweizer Bitcoin-ETF an, mit zuverlässiger Firma und offizieller Zulassung dahinter. Doch schon nach wenigen Klicks war klar: Da stimmt ganz vieles nicht.
- Wie die Open-Source-Community an Ostern die (IT-)Welt retteteHuch, waren das spannende Ostern, aus IT-Sicht! Es wurde die potenziell schlimmste IT-Sicherheitskatastrophe durch puren Zufall noch rechtzeitig abgewendet. Ansonsten hätte ein Angreifer Millionen von Servern weltweit im Nu unter seine Kontrolle bringen können.
Schreibe einen Kommentar