Frauenfussball-NFT: Doppelt falsch macht es nicht besser


Anlässlich der anstehende Fussball-WM der Frauen läuft gerade eine gross angelegte Werbekampagne für NFTs mit unseren Nati-Spielerinnen. NFTs stehen technisch und ethisch in der Kritik. Doch die Fussball-NFTs setzen noch einen drauf.

Fleissige Leser werden es schon mitbekommen haben: NFTs sind nicht das, was sie vorgeben. So

  1. garantieren NFTs beispielsweise weder die Echtheit des Kunstwerks,
  2. sagen sie nichts über den Status als Original oder die Eindeutigkeit des Werks aus,
  3. schränken sie den Zugriff auf die Daten des Werks nicht ein und
  4. definieren keine Nutzungs- und andere Rechte am Werk uvam.

Der darunterliegende «Smart Contract» ist weder wirklich smart noch im rechtlichen Sinne ein Contract.

Wie alle anderen NFTs haben auch für die aktuellen NFTs unserer Nati diese Nachteile und halten diese grundlegenden Versprechungen nicht ein. Aber die Frauenfussball-NFTs vereinigen nicht nur die negativen Aspekte der NFTs auf sich, sie verzichten auch auf die möglicherweise positiven Aspekte von NFTs.

Ein NFT ohne Eigenschaften

Wer die Vertragsbedingungen und die NFTs genau liest, merkt nämlich: Man kauft gar keinen NFT! Nach der Zahlung des Betrags in Schweizer Franken wird nur ein Bild in der bankeigenen Handy-App angezeigt (und die Lieferung der Zusatzleistungen angestossen).

Auf der Blockchain passiert nichts! Rein gar nichts!

Auch (oder ganz besonders) ein NFT-Fan wird dies wohl kaum als NFT bezeichnen. Deshalb sind alle weiteren Erwähnungen nur noch in Anführungszeichen.

So listen die Vertragsbedingungen unter anderem auf:

  1. Das «NFT» ist „nicht als Wertanlage konzipiert“.
  2. „Der NFT wird bei der Credit Suisse verwahrt und Ihnen via Credit Suisse App angezeigt.“
  3. „Sie haben anfänglich kein Recht auf einen Transfer des NFT innerhalb oder ausserhalb der Credit Suisse.“
  4. „eine kommerzielle Nutzung ist ausgeschlossen“.
Die offizielle Zusammenfassung der Vertragsbedingungen.

Die FAQ (Teil 1, Teil 2) wird sogar noch expliziter:

  1. „«Unique»- und «Rare»-NFTs beziehen sich auf eine digitale Kopie eines künstlerisch hergestellten physischen Gemäldes als Kunstwerk mit der Abbildung einer Spielerin.“
  2. „Alle Urheberrechte an sämtlichen Produkten verbleiben jederzeit beim SFV, auch im Falle eines Weiterverkaufs der Produkte.“
  3. „Entgeltliche, öffentliche, geschäftliche, gewerbliche oder berufliche Nutzungen sind dabei ausdrücklich ausgeschlossen.“
  4. „In einer ersten Phase können Kundinnen und Kunden Ihre NFTs nicht auf andere Personen oder Wallets übertragen. Bitte beachten Sie, dass ein Weiterverkauf der NFTs deshalb vorerst erschwert ist. Weder der SFV noch die Credit Suisse beabsichtigen, organisieren oder unterstützen einen Sekundärmarkt für die Produkte der NFT-Kunstkollektion.“
  5. „Die Credit Suisse führt per Juli 2023 ein eigenes, neues «Digital-Asset-Marktplatz»-Modul inkl. Wallet-Funktionalität innerhalb der CSX App ein. Diese CSX Wallet wird ausschliesslich innerhalb der Credit Suisse IT-Infrastruktur geführt; sie wird nicht auf der Blockchain geführt oder abgebildet bzw. erlaubt keine Transaktionen, die direkt auf der Blockchain registriert werden.“
  6. „Die NFTs der aktuellen NFT-Kunstkollektion werden auf der Ethereum-Blockchain erstellt und registriert. Der zur Prägung verwendete Smart Contract wird ebenso wie die Privatschlüssel und die originalen digitalen Bilddateien unter hohen Sicherheitsvorkehrungen auf der Credit Suisse IT-Infrastruktur verwahrt.“
  7. „Die NFTs sind gesammelt in einer Blockchain Wallet bzw. Blockchain-Adresse registriert, die auf die Credit Suisse oder den SFV lautet.“

Was heisst das?

  1. Für die CHF 150—10’000 kauft man eigentlich nur ein gemaltes und/oder gedrucktes Bild, eventuell ein Meet & Greet mit der Spielerin und ein Trikot. Und das gute Gefühl, den Frauenfussball unterstützt zu haben.
  2. Diese Bilder darf man nicht vermieten oder gewinnbringend verkaufen und auch nicht im Sitzungszimmer aufhängen (so zumindest interpretiere ich die Nutzungseinschränkungen von Punkt 3 oben).
  3. Ein NFT im engeren Sinne erhält man vorerst nicht. Es lautet weiterhin auf „die CS oder den SFV“ (Punkt 7 oben). Ich hoffe, irgend jemand weiss, wem der Smart Contract und die Privatschlüssel gehören…
  4. Und auch wenn das NFT dann vielleicht irgendwann auf Sie überschrieben wird, dürfen Sie es weiterhin nicht gewinnbringend verkaufen.

Das heisst, dass das im Disclaimer benannte Risiko des Totalverlusts eigentlich schon beim Kauf eintritt. Schöne neue Welt!


Offene Fragen

  • Wieso wird der Smart Contract unter „hohen Sicherheitsvorkehrungen auf der Credit Suisse IT-Infrastruktur verwahrt“, wenn er ja auch in der Ethereum-Blockchain repliziert existiert (und existieren muss)? Er ist kein Geheimnis und darf kein Geheimnis sein, damit er funktionieren kann.
  • Wieso werden die „die originalen digitalen Bilddateien unter hohen Sicherheitsvorkehrungen auf der Credit Suisse IT-Infrastruktur verwahrt“, wenn sie—zumindest für einen «richtigen NFT»—auch aus der Blockchain heraus öffentlich erreichbar sein müssen (via URL, so wie an anderer Stelle in der FAQ beschrieben)?

Weitere Informationen

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