Das Gottlieb-Duttweiler-Institut hat letzten Monat das neueste Produkt seiner Denkfabrik veröffentlicht unter dem Titel «Hype oder Hilfe? Was die Blockchain wirklich leistet» (Hervorhebung von mir). Das klang objektiv, konkret und spannend, also führte ich mir den 84-seitigen Wälzer zu Gemüte.
«Spannend» vor allem deshalb, weil in den vergangenen Monaten zwei grosse internationale Blockchainprojekte aufgegeben wurden, eines davon ergebnislos nach 6 Jahren Arbeit und Ausgaben von über 165 Millionen Dollar. Waren das also nur unglückliche Zufälle? Ich hoffte, dass die GDI-Studie hier Klarheit schaffen würde.
Und sah mir das für DNIP genauer an…
Der Artikel auf dieser Seite ist eine Zusammenfassung des dortigen ausführlichen Textes.
Zu zeigen, was eine über 15 Jahre gehypte Technologie X „wirklich“ kann, müsste doch eigentlich ganz einfach sein:
- Liste erfolgreicher Projekte vorstellen
- Wieso diese nur dank Technologie X erfolgreich sein konnten
- Generalisierung auf weitere Anwendungen, mit Ausblick
Ein klares, bewährtes Rezept. Davon findet man aber nichts im Artikel. Ausser einem «Pilotprojekt», in dem drei simulierte Parteien einander innert 10 Sekunden eine Nachricht schicken konnten. Ohne Erklärung zur Skalierung oder wieso das nur mit Blockchain ging.
Blockchain?
Doch was ist eigentlich eine Blockchain?
- Eine Sequenz von Datenblöcken
- Eine (offene oder geschlossene) Gruppe von Be rechtigten
- Ein Mechanismus zur Konsensbildung
Und die Blockchain ist absichtlich unflexibel und kompliziert.
Wenn das System korrekt funktioniert, hat es am Schluss folgende Eigenschaften:
- Es werden nur Daten hinzugefügt, welche den genutzten Regeln entsprechen.
- Alle Daten sind für alle Berechtigten lesbar.
- Die Daten sind ewig zugänglich.
Nur leider steht dem meist die Realität in der Quere: Regeländerungen, Einigkeit, Fehler (Daten, Programm), Geheimhaltung, Unlust, …
Dezentral?
Abhängigkeit von zentralen Instanzen, die man nicht kontrollieren kann und die niemandem Rechenschaft schulden, ist schlecht. Daraus zu schliessen, dass die Verteilung der Aufgaben automatisch und immer Vorteile bringt, ist aber falsch. Verteilung ist nie ohne (neue) Kosten und Risiken.
Auch Smart Contracts sind nicht die Lösung: Nachvollziehbarkeit, Korrigierbarkeit, Kulanz sind für diese „digitalen Verträge“ Fremdwörter. U.a. deshalb sie sind nach dem Schweizerischen Obligationenrecht gar keine Verträge.
Die „Studie“ des Gottlieb-Duttweiler-Instituts wird leider nirgendwo konkret: Konjunktiv durchzieht die Studie („könnte“, „sollte“, „würde“) und die aufgestellten Behauptungen werden weder theoretisch noch praktisch belegt. Deshalb nahm ich mir die Freiheit, etliche dieser Behauptungen in meinem Artikel zu widerlegen.
- Dezentralisierung alleine löst keine Probleme
- Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Verantwortungsübernahme sind eigentlich immer nötig
- Diese lassen sich nicht alleine technisch lösen, auch wenn Technik helfen kann
- Aber auch dann reichen meist Digitale Signaturen und Zeitstempel
Zusammenfassung
Take-home message (gilt auch für E-Mail-Scam über angeblich geschenkte 2 Millionen und so):
Wenn Ihnen jemand das Blaue vom Himmel verspricht, sollten Sie immer doppelt vorsichtig sein. Ganz besonders, wenn dieser Jemand Ihnen die Gründe dafür nicht konkret erklären kann, inklusive wieso seine Lösung alternativlos sei. Und erst recht, wenn Sie die Materie nicht verstehen und den Marketingaussagen des Gegenübers vertrauen müssen.
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